Von Judith Malter
Mit 25 Jahren hat Matthias Strohmaier auf seinem Weg zum Profifußballer bereits einiges erlebt. Sein Ziel hat er knapp verpasst –trotzdem ist er heute glücklicher denn je.
Wenn man Abwehrspieler Matthias Strohmaier zum Gespräch auf dem Balkon seiner Münchener Wohnung gegenübersitzt, fällt einem auf den ersten Blick erstmal nichts Besonderes auf. Denn optisch unterscheidet er sich nicht unbedingt von anderen Fußballspielern in seinem Alter. Er ist groß, blond, sportlich gekleidet, attraktiv –und modisch gesehen keiner, der durch verrückte Outfits aus der Masse heraussticht. Um zu verstehen was den Spieler des VfR Garching besonders macht, lohnt sich ein Blick hinter die ansehnliche Fassade. Denn während die meisten gleichaltrigen Kameraden alles dafür tun würden, um den Schritt in den Profibereich doch noch zu schaffen, hat Strohmaier mit 25 Jahren mit dem Thema Profikarriere bereits abgeschlossen. „Die Tür ist nicht komplett zu, aber ich bin schon so realistisch zu wissen, dass man dazu verdammt viel Glück braucht und das hatte ich eben die ganze Zeit vorher auch nicht.“ Obwohl er durchaus die richtigen Stationen in seiner Karriere ansteuerte und sogar im Bundesliga-Kader stand.
Dass die Karriere des geborenen Dingolfingers nicht gradlinig verlief, zeigt sein Lebenslauf. In der Jugend spielte er fünf Jahre lang bei 1860 München, absolvierte sogar Partien für die deutsche Jugendnationalmannschaft im In- und Ausland. Von 2012 bis heute folgten fünf weitere Stationen. Bei keiner von ihnen blieb er länger als zwei Jahre. Von 2012 bis 2014 spielte er beim FC Augsburg, danach verschlug es ihn zur zweiten Mannschaft des FC Bayern München, von 2016 bis 2017 war er beim FC Vaduz, um sich schließlich dem FC Schweinfurt anzuschließen. Zur laufenden Regionalligasaison wechselte er dann zum VfR Garching. „Eigentlich bin ich vom Typ her überhaupt net so. Ich würde am liebsten nur bei einem Verein bleiben“, kommentiert Strohmaier mit charmantem bayerischem Dialekt. Faktoren wie langfristige Verletzungen, wie beispielsweise ein Meniskusriss, oder Pech führten dazu, dass Strohmaier seine Vereine verlassen musste oder wollte und den Schritt in Richtung Profikarriere immer knapp verpasste. Wie beim FC Augsburg, wo er schon im Profikader stand und der damalige Trainer ihn plötzlich nicht mehr berücksichtigte. Oder beim FC Bayern, wo er ebenfalls einst in den Profikader berufen werden sollte und erst kurz vor der Abfahrt mit dem Mannschaftsbus eine Absage bekam. „Co-Trainer Hermann Gerland nahm mich zur Seite und sagte mir, dass Medhi Benatia doch fit und ich nicht dabei sei. Ich war am Boden zerstört.“ Statt wie zwei seiner Mitspieler ihr Profidebüt für den deutschen Rekordmeister zu geben, spielte Strohmaier am selben Abend wieder in der Regionalliga gegen Bayreuth und musste dort trotz Enttäuschung seine Leistung abrufen. „Manchmal fragt man sich schon, wo die Menschlichkeit im Fußball bleibt. Die wird unfassbar vernachlässigt. Du musst funktionieren wie ein Roboter“, sagt Strohmaier mit ernstem Blick.
Internationale Profiluft beim FC Vaduz geschnuppert
Mehr Menschlichkeit erhoffte er sich später beim FC Vaduz. Dort schnupperte Strohmaier tatsächlich Profiluft, absolvierte ein Spiel in der Schweizer Liga und sogar ein Qualifikationsspiel zur Europa League. Doch auch dort folgte die Ernüchterung. Schwerwiegende Verletzungen führten dazu, dass er den Verein nach nur einem Jahr wieder verlassen und einen Schritt zurück in die Regionalliga zum FC Schweinfurt machen musste. Ein Rückschritt, den er selbst heute nicht mehr als solchen ansieht. „Schon in meiner Zeit beim FC Bayern habe ich angefangen BWL in Salzburg zu studieren, um mir ein zweites Standbein aufzubauen. Durch die Verletzungen hatte ich mehr Zeit mich darauf zu konzentrieren.“ Mehrere Jahre pendelte er zwischen Bayern und Salzburg, musste seine Klausuren genau nach dem Spiel- und Trainingsplan seiner Vereine ausrichten. „Ich hatte großes Glück, dass die Uni sehr kooperativ war und mir sehr entgegen kam“, erklärt er. Im vergangenen Jahr schloss er das Studium ab.
Statt sich danach nur noch auf den sportlichen Erfolg mit Schweinfurt zu fokussieren, folgte in diesem Jahr der Wechsel zum VfR Garching, was viele aus sportlicher Sicht nicht nachvollziehen konnten. Dennoch fand Strohmaier dort jene Menschlichkeit, die ihm zuvor fehlte. „Seit ich mit dem Studium fertig bin, ist für mich der Zeitpunkt gekommen, einzusehen, dass es für den Profibereich aus unterschiedlichen Gründen nicht reicht. Deshalb wollte ich mich jetzt umorientieren“, sagt er und lächelt. Bei Garching taten sich neue Möglichkeiten auf und er reifte zum absoluten Führungsspieler. Zudem steht er nicht mehr nur auf dem Platz, sondern gibt sein Wissen als Spielertrainer des Klubs an seine Mannschaftskameraden weiter. „Ich denke brutal langfristig. Ich möchte in Zukunft Trainerscheine machen, hospitieren und verschiedene Praktika absolvieren, um nach meiner aktiven Karriere eine Position im Fußballbereich ausüben zu können. Zusammen mit meinem BWL-Studium bin ich dann ganz gut aufgestellt“, erklärt er. Ab September wird er ein Praktiuk beim FC Bayern München absolvieren. Ebenfalls wird Strohmaier den handelnden Personen bei einem US-amerikanischen Erstligisten über die Schulter schauen. Die Perspektive, die der VfR ihm bot, war allerdings nicht der einzige Grund für die Rückkehr nach München. „Bei meinen Wechseln habe ich immer geschaut, dass ich nicht zu weit von meiner Heimat weg bin, da auch meine Freundin Meike in München wohnt.“
„Klar ist irgendwo die Enttäuschung da“
Mittlerweile wohnen Meike und er zusammen im Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg in einer schönen, großen Wohnung mit Balkon, auf dem er, wenn er nicht gerade bei einem Glas Wasser mit Zitrone Interviews gibt, gerne mit seinen Freunden grillt. „Zum ersten Mal habe ich neben dem Fußball auch Freizeit. Früher gab es Schule, Fußball und später das Studium. Ich hatte selten einen festen Freundeskreis, da ich oft umgezogen bin und vieles entbehren musste. Wenn andere feiern waren, stand ich auf dem Fußballplatz. Ich genieße es endlich mehr Zeit für Freunde und Familie zu haben“, freut er sich. Wehmut über die verpassten Chancen auf eine Profikarriere verspürt er nicht: „Klar ist irgendwo die Enttäuschung da, weil ich immer davon geträumt habe. Auf der anderen Seite muss man aber dankbar dafür sein, dass man so viel erleben durfte, von dem andere so weit entfernt sind. Aber klar denkt man manchmal, es wäre noch viel mehr möglich gewesen. Die Jammerei bringt aber nichts, so bin ich einfach.“
Ja, so ist Matthias Strohmaier. Vorausschauend, reif und absolut realistisch. Und vor allem menschlich. Denn in einem Geschäft in dem Geld eine immer größere Rolle spielt, sucht er sich den Klub nicht nach finanziellen Möglichkeiten aus. Stattdessen zählen für Matthias Strohmaier die Nähe zur Heimat, langfristige Perspektiven und der Wohlfühlfaktor. Eben so ganz anders als andere Fußballer in seinem Alter. Und dadurch doch etwas ganz Besonderes.
Bildquelle: VfR Garching